Ich bin ein Enkel von Flüchtlingen. Die Eltern meiner Mutter wurden in Schlesien geboren. Aufgewachsen sind die beiden auf den Höfen der Eltern. Im Frühjahr 1946 mussten sich die Familien der beiden auf die Suche nach einer neuen Heimat begeben. Enteignet und verstört, durch die Übergriffe der Besatzer, ging es nach Westen. Eingefrecht in Viehwagen oder zu Fuß mit dem Handwagen; der Witterung ausgesetzt, über die ehemaligen Schlachtfelder eines sinnlosen Kriegs. Ein Bruder meines Großvaters starb, als der Wagen über eine Landmine fuhr – einer von 500.000 bestätigten Todesopfern der Vertreibung. Den damaligen Kindern merkt man die Last dieser Erinnerungen noch heute an. Die beiden Familien waren nur einige der 12-14 Millionen Ost- und Sudetendeutschen, die in den fünf Jahren nach dem zweiten Weltkrieg von der jungen BRD und DDR aufgenommen werden mussten. 1950 kamen auf 1000 Bürger 200 Vertriebene. In zwei Ländern, deren Städte ausgebombt waren, deren Wirtschaft brach lag.
Ich habe leider keine Statistik gefunden, wie viele Deutsche heute von diesen Vertriebenen abstammen. Deutsche in einem Land das nicht brach liegt. Deutsche die in zweiter und dritter Generation Krieg nur aus dem Geschichtsunterricht, den Nachrichten und den Erzählungen der Großeltern kennen. Genau diesen Großeltern schulden wir es, heute nicht denen unser Land zu verschließen, die auf der Flucht sind. Wir schulden es unseren Familien, die damals auf der Flucht waren. Wir schulden es unseren Familien, die damals geholfen haben, auch wenn das eigene Leid groß war.
Es muss unsere Tradition sein, Menschen auf der Flucht zu helfen.