ZUT – der Basetrail, steh auf – mach laut

Am 20.-22. Juni 2014 trafen sich in Grainau über 2000 Sportler, die sich auf 36, 60, 79 oder 100 Kilometern im Wettergebirge austoben wollten. Mit dabei, Steve beim Ultra(100 km), […]

Am 20.-22. Juni 2014 trafen sich in Grainau über 2000 Sportler, die sich auf 36, 60, 79 oder 100 Kilometern im Wettergebirge austoben wollten. Mit dabei, Steve beim Ultra(100 km), Tobias beim Super(60 km), Ronny, Peter und ich alle beim Basetrail(36 km). Dies war mein erster Trail unter Wettkampfbedingungen. Nach den Vorbereitungen der letzten Wochen, mit ein paar Läufen in der näheren Umgebung, war das Ziel klar. Die Strecke wird durch gezogen, ein DNF kommt nicht in Frage. Gegen 17:30, also eine Stunde vor Ende der Basetrail Zeitnahmen, will ich durchs Ziel sein. Damit das alles nicht an niederen Umständen scheitert, wurde vorher gründlich gepackt und mit zwei Checklisten alles doppelt kontrolliert.

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Anreise

Am Fronleichnam um 11:00 trafen sich Peter, Ronny, Tobias und ich in Ludwigshafen um gemeinsam nach Grainau zu fahren. Wir nahmen noch sicherheitshalber ein Feldbett, Isomatte und Schlafsack mit, da bei der Umbuchung der Pension das dritte Bett vergessen wurde.

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Auch wenn Steve bei seiner Anreise von plötzlich auftretenden Prozessionen bayrischer Katholiken überrascht wurde, so war unsere Route frei. Wir fuhren mit guter Stimmung nach Grainau. Auch nutzten wir die Zeit um uns mit reichlich Sportgetränken alkoholfrei, isotonisch und kalorienreduziert ausreichend zu hydrieren.

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In Grainau wurden dann erst mal die Zimmer beim „Edi“ bezogen. Von der Pension zum Start und Ziel im Musikpavillion waren es fünf Gehminuten. Vom Hof der Pension konnten wir den höchsten Punkt des Basetrails sogar sehen. Dass ich dort zwei Tage später nach 25 Kilometern stehen sollte, schien schier überwältigend:

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Das Feldbett stellten wir kurzerhand in den begehbaren Schrank in einem der Doppelzimmer und schon hatten wir Platz für fünf. Nach dem Check In im Kurhaus und einem Spaziergang durch Grainau gab es noch ein zünftiges Abendessen und dann ab in die Falle.

Am Freitag ging es zur Akklimatisierung erst mal locker in der näheren Umgebung auf einen Erkundungslauf. Locker in so fern, als dass wir kein Gepäck dabei hatten. Die Steigungen der kleinen Route zogen sich bei mir schon gut in die Beine. Hier würde ich am kommenden Tag mit Kompressionsstrümpfen und Stöcken hoffentlich besser durch kommen. Nach einer schnellen Dusche, dem Besuch der Trail Expo und einem Stück Kuchen ging es zur Pasta Party und dem Race Briefing.

ZUT 2014 Basetrail Höhenprofil

Beim Briefing wurden auf Regeln noch mal genau eingegangen. Auch wurden die Strecken durchgesprochen und auf die Timegates hin gewiesen. Nachdem ich zuvor schon nervös wegen der Herausforderung war, so war ich nach dem Briefing voll und ganz vom Lampenfieber infiziert. Die Regeln gehen sehr genau darauf ein, dass man sich bewusst sein muss was man tut (ZUT_2014_REGLEMENT v 14). Das ist Trailrunning, kein Walken, Wandern oder Asphaltlauf. Dessen war ich mir durchaus bewusst. Entsprechend unruhig wurde die letzte Nacht vor dem Start.

Raceday

Mit dem Bus geht es nach Mittenwald. Um 10:00 fällt der Startschuss. Kurz und schnell läuft der Pulk aus 712 Basetrailern durch die Ortschaft und direkt in das erste Nadelör. Am Wald beginnt direkt der erste Single Trail, wodurch der erste Anstieg nicht gelaufen werden kann sondern im Gänsemarsch erfolgt. Mit Peter hatte ich im Ort Kontakt gehalten und so können wir uns auch hier noch beieinander halten. Ronny, der den Ort wegen seines Knöchels schon langsamer angegangen war, sehe ich noch ein paar Meter hinter uns in der Schlange. Nach dem ersten Bottleneck geht es über offenes Gelände entlang des Ferchensees zur siebten Versorgungsstation. Ideale Bedingungen um den Körper warm zu laufen. Bei der V7 wird das erste Mal der Faltbecher raus geholt, das erste Trinken geht gut, beim zweiten Mal klappt sich das Ding zusammen und mein Handy wird in der Westentasche einmal abgekühlt – Mistbecher!

Ein Stück Gurke tunke ich in Salz und folge Peter auf die nächste Etappe. Den Wasserschlach habe ich bis dahin noch nicht angerührt. Jetzt ist die Distanz des Firmencups hinter mir. Mit Peter geht es weiter, getrieben durch die Musik sogar ein Stück vor Peter aber immer im losen Kontakt hinweg über breite Forstwege. Die Steigungen nehme ich mit Stöcken, die inzwischen nicht mehr am Backpack hängen. Endlich der erste längere Downhill … der sich als Single Trail entpuppt. Also wieder Entenmarsch statt Laufaction immerhin bleibt Zeit für Bilder im Gehen.

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Im Tal dann ein idyllisches Flussbett und ein Streckenposten nebst wartender Wanderer, die den Weg hoch wollen und nicht mit dem Trail Tross gerechnet hatten. Am kommenden Samstag in Köln beim Spartan Race hätte der Fluss bestimmt gequert werden müssen, so ging es über die Brücke und zum Anstieg … weiter im Entenmarsch bis zur Partnachalm der V8. Da es langsam voran geht, ist auch Zeit für Bilder.

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Auf der Partnachalm nehme ich mir dann doch ein paar Bissen der angebotenen Riegel, ziehe ein Red Bull ab und fülle meinen Wasserschlauch nach. Peter, der sichtlich unterfordert im Single Trail Stau gefangen war, schnappt sich nur was und läuft alleine weiter. Schnell den Stand bei Whatsapp gepostet, „V8 12:38“. Zeitlimit 13:45 – das läuft doch gut, denke ich und laufe mit ein paar Stücken Luftgetrockneter in der Hand weiter. Der Körper hält dank der geruhsamen Single Trails gut durch, trotzdem will ich nichts übertreiben, ein Halbmarathon und die meisten Höhenmeter liegen noch vor mir. Der Weg geht hügelig abwärts, also rauf mit Stockeinsatz und runter wird gerannt, so muss Trail running sein. Vorbei an tollen Panoramas, die mich leider zu einen kurzen Stop nötigen und einfach fotografiert werden müssen. Wobei ich da nicht alleine stehe und Bilder mache.

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Der nächste Anstieg steht an. Ein schneller Blick aufs Trailbook verrät, jetzt geht es an das Eingemachte. Nach 19 km geht der Aufstieg zur Alpspitzbahn los, knapp 1050 Höhenmeter auf acht Kilometern beginnen. Frohen Mutes ob der vorangegangenen Abschnitte mit kurzen schnellen Downhills stemme ich mich in die Stöcke. Ein Stück auf Forstwegen, dann rein in die Serpentinen des nächsten Single Trails. Zur Musik fräse ich mich mit vollem Stockeinsatz die Höhenmeter hinauf. Das Feld ist inzwischen genug entzerrt, der Anstieg macht Spaß. „Darf ich mal vorbei?“ tippt mich jemand freundlich lächelnd an und reißt mich aus meiner Trance. „Klar“. Ich mache Platz und erhasche den Blick auf eine blaue Startnummer – um 13:47 hat mich also der erste Supertrailer eingeholt, der Kerl ist eine Stunde vor mir gestartet hat jetzt 45,8 km in den Beinen und ich kämpfe nach einem Halbmarathon noch an den letzen 900 Höhenmetern. 15 Minuten zuvor ist übrigens der Sieger des Basetrails nach 3:32 hrs durchs Ziel gelaufen. Zeit für ein Foto:

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Ich schraube mich weiter den Berg hoch, in einer kleinen Gruppe ziehen wir uns aus den Serpentinen und der Baumzone. Uns dringt Applaus und Jubel entgegen als wir aus dem Dickicht brechen. Wanderer und Angehörige anderer Läufer begrüßen uns auf einem breiteren Wanderweg. Noch ein paar hundert Meter zur V9/10. Die Playlist ist ist einmal komplett über alle 74 Lieder gegangen. Weil Spotify den Loop nicht einschmeißt, laufe ich das letzte Stück zur Versorgungsstation ohne Musik aber mit Ohrwurm. Der Wasserbeutel ist auch schon wieder leer. An der Versorgungsstation komme ich um 14:26 an (Duedate – 15:30) – alles im Lot. Ich fülle den Wasserbeutel auf, greife zu bei Kuchen und Dörrobst. Weiter geht es zum vermeidlichen Endspurt auf die letzten Höhenmeter. Einmal zur Bergstation und zurück zur Versorgungsstation. Dabei folge ich dem Ohrwurm, stehe auf und mache laut.

Zum Wiederholen des Lieds muss das Handy raus und es entstehen einige Bilder, deswegen läuft man doch am Berg, wegen der Aussicht:

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Um 15:22 erreiche ich die Bergstation. Am Wegesrand setze ich mich hin und atme durch. „Do you speak English?“ Ein paar älteren Iren erkläre ich, dankbar für die Pause, was hier eigentlich gerade ab geht. Ein Schulterklopfen „God spede – get them lad!“. Tiefer Zug in die Lungen, dünner wird die Luft heute nicht mehr. Rein in den Downhill, Stöcke und Höhner weg. Meine 330 s/km Playlist auf die Ohren. Jetzt geht es ab!!!

Aber die 5:30 Stunden stecken tiefer in den Knochen als gehofft. Stufen und Ebenen gehen zügig voran alles andere zerrt an mir. Die Zehen stoßen im Schuh an, jetzt heißt es kämpfen. Zurück an V9/10 wird der leere Wasserbeutel wieder gefüllt und mit Riegeln, Cola und Studentenfutter Energie getankt. Um 16:12, also nur noch 48 Minuten vor dem V10 Time Gate, geht es weiter.

Run Boy Run! Keine Bilder! Nur noch runter von diesem Scheiß Berg. Das erste Stück geht gut, schmaler Pfad, nicht zu steil, so kann es weiter gehen.
Dann kommen die breiteren Wander- und Forstwege. Der Downhill wird steiler. Der Boden ist durchnässt. Stöcke raus und weiter. Meter für Meter. Ich überhole andere Basetrailer und werde von Supertrailern überholt. Wenn ich am Gipfel noch die sieben Stunden Zielzeit vor Augen hatte, bange ich jetzt, das selbst gesetzte Limit um 17:30 zu schaffen.

Endlich ist das Tal erreicht. Es geht auf normalen Wegen weiter.
„Auf geht’s Niklas! Super Leistung! Noch 2400 Meter und Du hast es!“ ruft mir ein Mitglied der Bergwacht zu.
Jetzt gilt es! Steh auf … mach laut!
Zeit? 17:15 noch zwei Kilometer, also 7,5er Pace.
Los mach schon, Du rennst sonst den 6er Pace auf 10km. Das muss jetzt auch gehen.
Mit 8,5er Pace schaffe ich ein Stück bis Grainau entlang an der Landstraße, vorbei an vier Basetrailern.
„Zieh an, los jetzt!“ Immer mehr Leute am Rand. Immer mehr Jubel.
Der Pace steigt. Die letzten Meter rein in den Zieleinlauf.

180m – vorletzte Zeitmessung.

„Da kommt noch ein Basetrailer – Niklas aus Ludwigshafen!!“

Finish : 17:27.18,9 // 7:26.07,1
190. overall Men, 371. overall

 

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Geschafft! Aber nicht alleine.

Danke an meine Frau die mich dieses und die anderen Wochenenden zum Sport raus lässt und die Kinder übernimmt – ich liebe Dich!
Danke an die vielen freiwilligen Helfer der Gemeinde Grainau und Umgebung. Unglaublich, mit wie vielen tausenden Stunden Arbeit und Engagement Ihr uns dieses Event ermöglicht habt.
Danke an den Fahrer Peter, der es mit uns ausgehalten hat.
Danke an Tobi für die Stiche, bis ich mich angemeldet habe.
Danke für Steve bei der Vorbereitung, Dein Blog und Deine Tipps bei den gemeinsamen Läufen sind Gold wert.
Danke an Ronny, dass Du mit mir als Erstling dabei warst.

Hier geht es zu meinem Move und den Berichten von Tobias und Steve.